Als wir - eine Gruppe von drei Frauen und fünf Männern aus der Schweiz - weit nach Mitternacht mit dem Flug 0673 der Turkish Airways von Istanbul herkommend auf dem Kilimanjaro Airport in Tansania landen, können wir nur ahnen, was uns noch bevorsteht. Unser Ziel ist die Besteigung des höchsten Bergs in Afrika, des 5895 Meter hohen Uhuru-Peaks, der Spitze des Kilimanjaro.
Der Aufstieg auf den Kilimanjaro wurde vom Bündner Bergführer Norbert 'Noppa' Joos rekognosziert, und er ist es nun auch, der ihn persönlich begleitet. Jetzt am Flugplatz von Arusha begrüssen wir unseren lokalen Agenten, der uns im kleinen Bus ins Hotel nach Moshi bringt. Nach einer kurzen Nacht unternehmen wir zur Akklimatisation einen Halbtagesausflug in den kleinen Ort Marangu, wo uns ein obligates touristisches Programm geboten wird. Dazu gehört nicht nur das Rösten und Mahlen von Kaffee, sondern auch die Besichtigung zweier Wasserfälle sowie der Besuch des örtlichen Marktes und einer Zufluchtshöhle aus der Zeit der vergangenen Stammeskriege.
In sechs Etappen hinauf
Der Kilimanjaro steht unter Naturschutz und ist nur auf vorgegebenen Routen und mit lokalen Führern begehbar. Während einige Routen mit festinstallierten Übernachtungsmöglichkeiten ausgestattet sind, wählen wir die Machame-Route. Mit Prosper, unserem afrikanischen Guide, und seinen 22 Burschen warten wir am nächsten Tag beim entsprechenden Gate auf 1830 m.ü.M. bis alle Formalitäten geregelt sind, und jeder Träger sein 20 Kilogramm schweres Gepäck abgewogen hat. Doch dann geht's endlich los, hindurch durchs Tor und leicht ansteigend hinein in den Regenwald. In sechs Etappen wollen wir den Kilimanjaro bezwingen. Nicht, dass es auch in weniger Tage ginge. So hatte uns ein Einheimischer gestern noch voller Stolz erzählt, dass er es einst in knapp 15 Stunden bis zum Gipfel und wieder herunter geschafft habe. Doch unsere Devise lautet: Pole, pole - langsam, langsam.
Dem Höhenkoller trotzen
Immerhin haben wir vor, einen Höhenunterschied von insgesamt mehr als 4000 Metern zu überwinden. Da könnte es schon passieren, dass dies dem einen oder anderen zuviel wird. Kopfschmerzen, Schwindel und rasender Puls wären dann die Symptome, die eine Umkehr ratsam werden liessen. Doch unsere Gruppe soll geschlossen oben ankommen. Und deshalb lassen wir uns genügend Zeit.
Mit Tagesetappen von drei bis vier Stunden und reichlich Ruhezeit an den Nachmittagen gewöhnen wir uns an die immer dünner werdende Luft. Und Noppa Joos ermuntert uns, genügend zu trinken; denn durch den rascheren Atem gibt der Körper zusätzlich Flüssigkeit ab.
Dem Wetter ausgesetzt
Wir sind täglich 24 Stunden lang dem Wetter ausgesetzt. Nach sternenklaren, kalten Nächten freuen wir uns jeweils auf den Sonnenaufgang. Jetzt können wir zuschauen, wie der Raureif auf unsreren Zelten schmilzt. Weit unten breitet sich über dem tansanischen Tiefland eine riesige Wolkendecke aus. Doch wir wissen, dass die rasch ansteigt, uns regelmässig gegen Mittag einholt und kalten Regen bringen wird. Vorerst aber marschieren wir nach dem Frühstück, welches uns von der Trägermannschaft im Verpflegungszelt gereicht wird, in herrlichem Sonnenschein den Berg hinan. Die Landschaft verändert mit jeder Etappe ihr Gesicht. Nach dem Regenwald folgt die Tundra, bis hoch oben zwischen Geröll und Fels nur noch Riesen-Senezien gespenstisch den Weg säumen und dem rauher werdenden Klima zu trotzen vermögen. Der Blick auf den Berg ist traumhaft, schürt unsere Ungeduld. Und so schreiten wir in gleichmässigem Tempo voran: Saua, saua - alles ist gut.
Auf dem Gipfel
Heute am fünften Tag erreichen wir das Zeltlager bereits am frühen Nachmittag. Auf 4600 m.ü.M. verbringen wir den Nachmittag und den Abend vor der letzten Etappe. Ausruhen ist angesagt; denn bereits eine Stunde nach Mitternacht wollen wir die 1300 Höhenmeter bis zum Gipfel in Angriff nehmen. Doch kaum haben wir uns gegen acht Uhr hingelegt, bricht ein heftiges Gewitter aus. Unser Camp befindet sich auf einem Bergsattel, was die Lage noch ungemütlicher macht. Und als wir, kaum ein Auge zugemacht, um Mitternacht aus dem Zelt kriechen, liegt mehr als fünf Zentimeter Schnee. Doch nach einem verkürzten Frühstück brechen wir trotzdem auf, um dem ersehnten Ziel entgegen zu streben. In kleinen, gleichmässigen Schritten und wie in Trance steigen wir in kurzen Serpentinen den steilen, weiten Berghang hinan. Die Luft ist dünn und eiskalt.
Nach fünfeinhalb Stunden erreichen wir den Stella Point, den Sattel, wo sich eine wundersame und riesige Eislandschaft vor unseren Augen auftut. Jetzt brauchen wir nur noch eine Dreiviertelstunde, um über den Kraterrand schreitend den Gipfel zu erreichen.
Und dann stehen wir da, auf dem Uruhu-Peak, dem höchsten Berg Afrikas. Hakuna matata - kein Problem. Alle haben es geschafft!
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